Re: Pixellos

Christine Wohlfahrt schrieb:

Ein Momentbahnbildfotogeschichte - Fotos der etwas anderen Art und Pixellos:

Am Silvesterabend bin ich mit meinem letzten Zug von Sion nach Lausanne unterwegs. An jedem Bahnhof steigen lachende, fröhliche, teilweise leicht beschwipste Menschen ein. Alle wollen noch vor dem Jahreswechsel nach
Montreux oder Lausanne. Gemütlich sitzen sie in Gruppen zusammen, prosten sich zu, auch uns vom Zugpersonal wird eine vielfaches “Bonne Année” gewünscht. Die Stimmung ist ausgelassen.
Beim Durchlaufen der Wagen fällt mir eine junge Frau auf.
Lächelnd sitzt sie alleine da, aber ihre dunklen Augen erzählen von Traurigkeit und Isolation. In der Hand hält sie eine noch fast volle Flasche Sekt. Sie hat noch kaum was getrunken.
In Montreux verlasse ich kurz den Zug, um das Aus- und Einsteigen der Fahrgäste zu überwachen und den Abfahrtsbefehl zu erteilen.
Während ich auf die Abfahrtszeit warte, sehe ich wie die junge Frau die einsteigenden Fahrgäste strahlend anblickt. Aber die Plätze bei ihr bleiben leer.
Als ich nach der Abfahrt in Vevey erneut den Wagen betrete, ist sie immer noch allein.
Es fällt ihr schwer die Traurigkeit und Enttäuschung in ihrem Gesicht zu verbergen.
Sie blickt in ihr Spiegelbild im Fenster, hebt mit einem trotzig entschlossenem Blick die immer noch volle Flasche, prostet sich zu und trinkt diese mit einer Träne im rechten Auge zügig aus. Sie wird Silvester feiern!
In Lausanne ist Endstation - alles aussteigen.
Langsam steht sie auf, zupft den Rock zurecht, wirft einen prüfenden Blick ins Fenster. Die Verlassenheit auf ihrem Gesicht wird durch ein aufgesetztes Strahlen ersetzt. So dreht sie sich um zu ihren Mitreisenden, die lärmend, kreischend, lachend und vergnügt aussteigen. Sie gibt sich einen Ruck und drängt sich zwischen die Gruppen. Plötzlich gehört sie kurz dazu und lacht alle an.
Nachdem ich die Innenkontrolle im Zug gemacht habe und vom Bahnsteig aus die Türen des nun abgestellten Zuges schließe sehe ich sie wieder.
Einsam steht sie da, die Schultern zucken. Langsam mit zögernden Schritten verlässt sie mit einer nun leeren Flasche in der Hand den Bahnsteig…

MfG Christine